Nonaka berät Jugendamt

SECI Model

Bild: Rosanna Rossi | CC BY-SA 3.0 | Wikimedia Commons

Theorie – Fallanalyse – Beispiel

Modelle und Erkenntnisse von Nonaka

Nonaka meinte bereits Anfang der 1990er Jahre, dass in einer Wirtschaftswelt, in der die einzige Gewissheit die Ungewissheit ist, Wissen der wichtigste Faktor für anhaltende Wettbewerbsvorteile sei. Erfolgreiche Organisationen generieren ständig neues Wissen, verbreiten es innerhalb der gesamten Organisation und nutzen es schnellstmöglich für die Entwicklung neuer Technologien und Produkte. Im Vergleich von japanischen und „westlichen“ Unternehmen erkennt er, dass das „westliche“ Management seine Organisationen als Informationsverarbeitungsmaschinen sieht und den Wert des Wissens meist nur mit quantifizierbaren Daten wie etwa Kostenreduktion oder Effizienzerhöhung misst und verweist auf das Erfolgsrezept des japanischen Wegs, der Unternehmen wie Honda, Canon oder Sharp zu kontinuierlichen Erfolgen geführt hat: ein Unternehmen ist keine Maschine, sondern ein lebendiger Organismus. (Nonaka, 1991, S.22 ff.)

Neues Wissen beginnt mit dem Individuum und kann idealerweise in wertvolles organisationales Wissen umgewandelt werden. Zum Beispiel: Eine Forscherin setzt ihr individuelles Wissen ein, das zu einem neuen Patent führt, oder ein Manager setzt sein intuitives persönliches Wissen über Markttrends so ein, dass ein neues Produkt entwickelt wird. In einem „wissensschaffenden“ (knowledge-creating) Unternehmen findet diese Wissensumwandlung kontinuierlich und auf allen Ebenen der Organisation statt (Nonaka, 1991, S.26).

Viele Unternehmen betrachten den Wert neuen Wissens rein quantitativ anhand von höherer Effizienz und niedrigeren Kosten. In der “wissensschaffenden” Organisation sind die qualitativen Faktoren genauso wichtig. Hier stellt man zusätzlich die Fragen: Ist das neue Wissen in der Unternehmensvision und –strategie verankert und kann es zum Wissensnetzwerk der Organisation beitragen? (Nonaka, 1991, S.42 ff.)
Das mittlere Management dient als Brücke zwischen den Idealvorstellungen des Top-Managements und den Mitarbeitenden und nimmt eine Mediatorenfunktion ein zwischen dem “was ist” und “was sein soll”. So kann das mittlere Management das implizite Wissen der Mitarbeitenden und der Geschäftsführung zusammenführen, explizit machen und zum “Wissenserzeuger” (“knowledge engineer”) werden (Nonaka, 1991, S.42 ff.).

Explizites Wissen ist formell und systematisch, deshalb kann es einfach kommuniziert und weitergegeben werden, wie zum Beispiel in Produktspezifikationen oder Formeln. Implizites Wissen besteht aus individuellen Fähigkeiten, Denkmodellen und formt die Wahrnehmung der Umwelt. Es ist sehr persönlich, kann nicht einfach formalisiert oder systematisiert werden und ist deshalb auch nicht einfach zu kommunizieren und weiterzugeben (Nonaka, 1991, S.27 f.).

Durch Übertragung und Austausch von implizitem und explizitem Wissen untereinander entsteht neues Wissen:

  • Implizit zu implizit (Sozialisation): eine Person teilt ihr implizites Wissen direkt mit einer anderen Person. Zum Beispiel ein Lehrling lernt vom Meister. Dabei wird das Wissen aber nie explizit.
  • Implizit zu explizit (Externalisierung): implizites Wissen wird artikuliert und kommuniziert. So entsteht zum Beispiel durch jahrelanges implizites Wissen im jeweiligen Job ein explizit formulierter neuer Zugang oder Plan zu einem bestimmten Thema.
  • Explizit zu explizit (Kombination): eine Person führt verschiedene Teile von explizitem Wissen zu einem neuen Ganzen zusammen. Dadurch wird die Wissensbasis einer Organisation aber nicht erweitert.
  • Explizit zu implizit (Internalisierung): explizites Wissen wird geteilt und empfangende Personen nutzen es, um ihr eigenes implizites Wissen zu erweitern.

Durch die Anwendung und die Wechselwirkung aller vier Formen entsteht eine „Wissensspirale“, in der ständig neues Wissen generiert werden kann. (Nonaka, 1991, S.28 f.)


(i Individuum, g Gruppe, o Organisation)
abgerufen von https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/wissensmanagement-47468/version-270732, Revision von Wissensmanagement vom 14.02.2018 – 17:31

Der freie Zugang zu Information ist wichtig, denn Menschen gewinnen neues Wissen nicht passiv, sie interpretieren aktiv gemäß ihrer eigenen Situation und Wahrnehmung (Nonaka, 1991, S.39).

Literaturquelle:
Nonaka, I. (1991). The Knowledge-Creating Company. In Harvard Business Review On Knowledge Management (21-45). Boston: Harvard Business School Publishing.

 

Fallanalyse

Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi gehen bei ihren Publikationen und Modellen von einzelnen Unternehmen aus, die im wirtschaftlichen Wettbewerb stehen. In unserem Fall sind die Beteiligten 3 verschiedene Institutionen – die Kinder- und Jugendhilfe, Schulen und Kindergärten. Nicht gewinnorientierte Organisationen mit eigenen Gesetzesgrundlagen und komplett verschiedenen Abläufen und Strukturen.
Deshalb müssten sie zuerst intern betrachtet werden, um Schlüsselpersonen oder –gruppen zu erkennen, welche wiederum mit den Schlüsselpersonen der jeweils anderen Organisation kommunizieren und Wissen austauschen können, um zielorientiert miteinander zu arbeiten.

Wissensschaffende Organisation  / Management

Das „Management“ der beteiligten Organisationen (Jugendreferat, Schuldirektion, im weiteren Sinn Ministerien/Gesetzgeber) und entsprechende Gesetze geben die Rahmenbedingungen vor. Im ‚operativen‘ Tagesgeschäft stehen aber auf der einen Seite die SozialarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe, auf der anderen die LehrerInnen bzw. KindergärtnerInnen, welche das Problem der effektiven Zusammenarbeit betrifft.

Das Ziel aller Akteure ist (hoffentlich): das Wohl der Kinder und Jugendlichen.
Auf diesem gemeinsamen Ziel lässt sich aufbauen und beim jeweiligen Management bzw. den MitarbeiterInnen argumentieren.

Das Hauptproblem in diesem Fall ist die negative Assoziation mit der Kinder- und Jugendhilfe durch ihre teilweise Arbeit im Zwangskontext. Infobroschüren und sporadische Besuche in Schulen und Kindergärten haben noch nicht zur gewünschten Verbesserung geführt. Also liegt es möglicherweise am generellen „Image“ der Kinder- und Jugendhilfe. Und der Wissensaustausch zwischen den hoch spezialisierten Fachkräften der Institutionen scheint noch nicht optimal abzulaufen.

Wissensspirale / SEKI Modell

Die SozialarbeiterInnen besitzen wertvolles implizites Wissen und wenden es in den Fällen, die sie beraten und betreuen optimal an, KollegInnen lernen vielleicht dadurch voneinander (Sozialisation). In Dokumentationen und Berichten wird die Arbeit expliziert, ebenso durch Infobroschüren, Vorträge und eventuelle Gesprächsprotokolle (Externalisation). Durch Kombination kann eine breite Wissensbasis geschaffen werden, zum Beispiel durch Handbücher, Wikis, Datenbanken,… wodurch Einzelpersonen wiederum die Möglichkeit zur Internalisation haben.
Wissensträger und Schlüsselpersonen /-gruppen sind hier die SozialarbeiterInnen.
Das Management könnte helfen, indem mehr Mittel bzw. Zeit zur Verfügung gestellt wird, um das Image der Kinder- und Jugendhilfe zu verbessern, zum Beispiel durch mehr Besuche und Vorträge direkt in den Schulen & Kindergärten und Informationsaufbereitung & Öffentlichkeitsarbeit für die Zielgruppen & die verschiedenen Kanäle (Broschüren, Präsentationen, Internetpräsenzen,…).

In den Schulen/Kindergärten wird ebenso viel wertvolles Wissen und Erfahrung gesammelt und auch hier dreht sich die interne Wissensspirale. Wenn die Kinder- und Jugendhilfe ihr Image aufbessern kann und effektive, wertschätzende Kommunikation unter den Institutionen stattfindet, wird sie eher in die Abläufe der Schule und den LehrerInnenalltag einbezogen. Wissensträger und Schlüsselpersonen /-gruppen sind hier die LehrerInnen und vor allem die sozialpädagogisch gut geschulten ExpertInnen. Das Management (Direktion, Ministerium, Gesetzgeber) könnte Hilfe leisten mit entsprechenden Aus-/Fortbildungen und Ressourcen für soziale Arbeit & Sensibilisierung mit den SchülerInnen.

Für die Zusammenarbeit mit LehrerInnen und KindergärtnerInnen könnte ein gemeinsamer Handlungsleitfaden und danach regelmäßige Vernetzungstreffen helfen. Hier wären Schlüsselpersonen wie etwa die Leitende Sozialarbeiterin und die jeweilige sozialpädagogische Fachkraft (VertrauenslehrerIn, SchulsozialarbeiterIn,…) der Schulen/Kindergärten ideal – ähnlich dem Nonaka Vorschlag: ‚Mittleres Management‘ als Brücke & Mediator zwischen den Idealvorstellungen des Top-Managements und den Mitarbeitenden. (Vgl. Abschnitt „Modelle und Erkenntnisse von Nonaka“):
Jene Personen sammeln das Wissen ihrer jeweiligen Organisationen, explizieren es und können es dann gemeinsam kombinieren. In laufender wertschätzender Kommunikation (wenn das Management die Basis & Ressourcen zur Verfügung stellt) und bei regelmäßigen Meetings und Vernetzungstreffen (zB vierteljährlich, halbjährlich) kann an Problemlösungen und Weiterentwicklungen gearbeitet werden.

 

Beispiel Modell in Berlin, mit gemeinsam erarbeiteten Dokumenten und Handlungsabläufen:
2009, Zusammenarbeit zwischen Schulen und bezirklichem Jugendamt im Kinderschutz, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin, abgerufen von https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Kinderschutzkonzept_Berlin_Handlungsleitfaden_Schule_Jugendamt.pdf

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Veröffentlicht2019-01-05 von manuelaschoendorfer in Kategorie "Tasks & LessonsLearned

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